„Sag mal“, Alan schaut über sein Glas mit dem Pastis zu mir herüber. Wir sitzen am Küchentisch seiner Freundin in einem alten Fischerhaus in der Bretagne. „Was ist eigentlich aus deinem Buch über Madagaskar geworden, von dem du letztes Jahr erzählt hast?“ „Das ist schon längst fertig.“ „Im Ernst?“ Ich nicke und trinke von meinem Orangensaft. Morgens um halb elf brauche ich echt keinen Pastis. „Hast du denn auf Französisch geschrieben?“ „Nein, auf Deutsch.“ „Dann verstehe ich’s ja gar nicht…“, er schüttelt den Kopf, seine langen weißen Haare fliegen. „Aber weißt du, dass es hier mal einen Lemuren gab?“

„Quatsch!“ Ich stelle mein Glas ab. „Doch. Ein Cousin von mit hatte den von irgendeiner Reise mitgebracht. Einen Maki.“ „Das glaub‘ ich dir nicht.“ „Ist aber wahr!“ „Aber die Lemuren sind streng geschützt. Ihr Handel ist verboten!“ „Ja. Doch damals hat da noch niemand so genau hingeschaut.“ Alan lässt die milchig trübe Flüssigkeit in seiner faltigen sonnengegerbten Hand kreisen. Dann nimmt er noch einen Schluck.

illegaler Wildtierhandel

In meinem Kopf ploppen Bilder von Lemuren in kleinen Käfigen zusammengepfercht auf. Erst 2024 wurden in Thailand bei einer Razzia beinahe 1000 Lemuren und Schildkröten gefunden. Sie wurden nach und nach wieder nach Madagaskar zurückgebracht. Sechs Personen wurden in diesem Zusammenhang festgenommen. Doch wie viele Tiere werden nicht entdeckt und landen irgendwo als Haustiere?

Emotional fühle ich mich nah an dem Thema dran, bin Madagaskar seit Jahren eng verbunden und habe miterlebt, wie Schmuggler aufgeflogen sind. Zugleich war ich bisher, ohne weitere Recherche, von einer räumlichen Distanz ausgegangen. Die in Thailand entdeckten Tiere hätten über Bangkok voraussichtlich nach Taiwan, Hongkong und Süd-Korea geschmuggelt werden sollen, um dort als Haustiere weiterverkauft zu werden, berichtete eine thailändische Zeitung. Und jetzt? Stolpere ich im Sommerurlaub in der Bretagne erneut über das Thema.

Ich nehme mein Glas, trinke es aus, während ich versuche das Bild des Makis hinter Gittern, fern von Madagaskar, dem Regenwald und seinen Artgenossen, abzuschütteln. Langsam schiebe ich den Stuhl zurück und stehe auf. Wildtiere sind keine Haustiere.

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